Thomas Nides verurteilt das Siedlungswachstum in Ostjerusalem und im Westjordanland, igoriert jedoch die antisemitischen Darstellungen in palästinensischen Schulbüchern.

Wohnraummangel ist in vielen Ländern der Welt ein Problem. Wenn Kinder erwachsen werden, wollen sie von zu Hause ausziehen, aber können es vielleicht nicht, weil sie keine Wohnung finden. Junge Eltern wiederum brauchen eigentlich mit jedem weiteren Kind auch mehr Platz – im Idealfall hat jedes Kind sein eigenes Zimmer. Doch wo Wohnungsnot herrscht, leben oft auch große Familien in für sie viel zu kleinen Wohnungen, weil sie sich einen Umzug nicht leisten können – schlimmstenfalls leben gar mehrere Familien – ohne jegliche Privatsphäre – in einer gemeinsamen Wohnung.

Gegen Wohnungsnot gibt es nur ein Mittel: mehr Wohnungen bauen. Das ist in dem Ort Efrat in Judäa und dem vorwiegend von ultraorthodoxen Juden bewohnten Jerusalemer Stadtviertel Ramat Shlomo nicht anders als in Köln, Wien oder New York.

Doch anders als in diesen Orten wird in Efrat und Ramat Shlomo jeder Bau einer neuen Wohnung buchstäblich zur Staatsaffäre. Wie im März 2010, als irgendein israelischer Verwaltungsbeamter in einer der üblichen öffentlichen Bekanntmachungen den Bau von 1.600 Wohneinheiten in Ramat Shlomo verkündete. »Siedlerwohnungen«, schrieb die Nachrichtenagentur Reuters daraufhin, und weil zufällig gerade zu diesem Zeitpunkt der damalige US-Vizepräsident Joe Biden zu Besuch in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten war, wurde von diesem erwartet, dass er sich darüber erbost zeigte – was Biden dann auch tat.

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»Es obliegt beiden Parteien, eine Atmosphäre der Unterstützung für die Verhandlungen aufzubauen und sie nicht zu verkomplizieren«, sagte Biden bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Mahmud Abbas, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die Entscheidung der israelischen Regierung untergrabe »genau dieses Vertrauen, das Vertrauen, das wir jetzt brauchen, um gewinnbringende Verhandlungen zu beginnen«.

Dazu muss man wissen, dass die israelische Regierung zu diesem Zeitpunkt sogar ein Moratorium für den Bau von Wohnungen in Siedlungen in der West Bank verkündet hatte und damit der Forderung des damaligen US-Präsidenten Barack Obamas nachkam, der dies zur Vorbedingung für den Beginn von Friedensverhandlungen gemacht hatte (wovon selbst Abbas überrascht war). Dieses Moratorium galt aber nicht für Jerusalem, denn Jerusalem ist keine Siedlung, sondern Israels Hauptstadt.

Zwölf Jahre später …

Zwölf Jahre später, wir schreiben den 15. März 2022, trifft sich der US-Botschafter in Israel, Thomas Nides, zu einer Zoom-Konferenz mit Mitgliedern von Americans for Peace Now (APN). Zu dieser Organisation ist zu sagen, dass sie die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) für Antisemitismus ablehnt, u. a. deshalb, weil sie der Überzeugung ist, dass es keineswegs antisemitisch sei, Israel mit viel strengeren Maßstäben zu messen als alle anderen Staaten der Welt.

Auch die Israel-Boykott-Kampagne BDS ist nach Meinung von APN nicht antisemitisch. APN unterstützt zudem die zum Unilever-Konzern gehörende Eiscrememarke Ben & Jerry’s bei ihrem Israel-Boykott. Soviel zu den Positionen von APN. Botschafter Nides sagte im Gespräch mit den APN-Aktivisten:

»Eure Agenda ist, wo mein Herz ist.«

Weiters erklärte er, was ihn daran störe, wenn PA-Präsident Abbas einen großen Teil der Hilfsgelder, die er aus dem Ausland bezieht, dafür verwendet, um Kopfgelder für die Ermordung von Juden auszusetzen. Diese Praxis, bemängelte Nides, gebe – nicht näher bezeichneten – »Hassern« (haters) einen Vorwand, eine Zwei-Staaten-Lösung abzulehnen. Wörtlich sagte er:

»Diese Märtyrerzahlungen, wissen Sie, wir können darüber debattieren und reden, haben eine enorme Menge an Problemen verursacht. Und ich arbeite mit [Verteidigungs-]Minister [Benny] Gantz und dem Premierminister und den Palästinensern zusammen, um herauszufinden, wie man das stoppen kann, weil es Hasser gibt – und es gibt Hasser –, die sagen: ›Wir können das nicht tun [d. h. einen unabhängigen palästinensischen Staat zulassen] weil sie dafür bezahlen, dass Menschen Juden töten.‹«

Also nicht das Aussetzen finanzieller Belohnungen für Mord an Juden ist für den amerikanischen Botschafter in Israel das Problem, sondern die (jüdische) Reaktion, die diese nach sich zieht. Ansonsten hat Nides offenbar nichts an der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihrem Anspruch auf einen eigenen Staat auszusetzen und glaubt auch nicht, dass Abbas oder seinen Vorgänger Jassir Arafat irgendeine Schuld daran trifft, dass die Beziehungen zwischen Ramallah und Jerusalem nicht die allerherzlichsten sind.

Das Hindernis, um Frieden zu schließen, sei aus Sicht des amerikanischen Botschafters Israel selbst  – und Israel allein. Nides sagte:

»Wir können keine Dummheiten machen, die uns an einer Zwei-Staaten-Lösung hindern. Wir können nicht zulassen, dass die Israelis in Ostjerusalem oder im Westjordanland Siedlungswachstum betreiben.«

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Nides betonte, dass ihm »das Land und die Menschen sehr am Herzen liegen« und er nur »das Richtige tun« wolle.

Widerspruch wird laut

Widerspruch gegen die Aussagen des Botschafters kommt u. a. von David Bedein, dem Gründer und Leiter des Bedein Center for Near East Policy Research. Im Anschluss an Nides’ Zoom-Konferenz formulierte Bedein ein elfseitiges Papier, das er u. a. an Mena-Watch schickte. Darin stellt er die Frage: »Wer blockiert wirklich die Zwei-Staaten-Lösung?«

Auf der Grundlage der Forschungen von Arnon Groiss, einem Professor für Arabisch und Studien des Nahen Ostens an der Hebrew University Jerusalem, zeigt Bedein, wie in Schulbüchern der Palästinensischen Autonomiebehörde systematisch versucht wird, jeden Keim von Friedenswille und Aussöhnung in den Schülern zu ersticken und sie zum Krieg gegen die Juden aufzuwiegeln.

Die PA-Schulbücher, auch die von der UNRWA benutzten, zeigten drei wiederkehrende Muster der Nichtanerkennung Israels, so Bedein:

  1. Die Delegitimierung von Israels Existenz oder auch nur der Anwesenheit von Juden im Land. Dazu gehört das Leugnen der jüdischen Geschichte und der Existenz jüdischer Heiligtümer.
  2. Dämonisierung Israels und der Juden. Dies geschieht auch mit religiösen Argumenten, was tiefgreifende Folgen für die Schüler hat, die in einer traditionell-religiösen Wertewelt aufwachsen.
  3. Die Abwesenheit von Appellen zum Frieden mit Israel. Stattdessen gebe es Aufrufe zum gewaltsamen Kampf zur Befreiung des ganzen Landes von den Juden. Unterschiede zwischen Israel diesseits und jenseits der Waffenstillstandslinie von 1949 würden dabei nicht gemacht. Diesem Kampf werde eine religiöse Aura gegeben und »zum Mord an Juden ermuntert«.

Für jeden der drei Punkte liefert Bedein etliche Beispiele aus den Schulbüchern der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Delegitimierung

Israels jüdische Bürger werden als ausländische Kolonialisten dargestellt. So werden die Schüler der 8. Klasse in einem Sozialkundelehrbuch dazu aufgefordert, die »Tragödie der Indianer, Amerikas ursprüngliche Einwohner, mit der Tragödie des palästinensischen Volkes« zu vergleichen.

Die jüdische Geschichte des Landes wird geleugnet. In einem Buch für den Arabisch-Unterricht der 10. Klasse ist davon die Rede, die »Besatzer«, also die Israelis, hätten »Legenden« erfunden, um ihren Staat zu rechtfertigen und würden – »jedoch vergeblich« – archäologische Beweise fälschen, um »die Wahrheit und Echtheit zu beweisen«.

Die Existenz jüdischer Heiligtümer wird geleugnet. In einem Schulbuch für islamische Erziehung der 5. Klasse ist ein Foto der Klagemauer abgebildet, die nur als »Al-Burak-Mauer« bezeichnet wird; diese sei Teil der al-Aqsa-Moschee.

»Die al-Aqsa-Moschee, einschließlich der Mauer, ist palästinensisches Land und gehört einzig und allein den Muslimen.«

Der Text ist mit einem Foto der Klagemauer illustriert, dessen unterer Teil abgeschnitten ist, »damit man die dort betenden Juden nicht sieht«, wie Bedein vermutet.

Landkarten, auch in Schulbüchern, die von der UNRWA benützt werden, zeigen nur ein Land namens »Palästina«. Israelische Städte wie Tel Aviv sind nicht eingezeichnet. Buchstäblich ausgelöscht ist die jüdische Geschichte auch bei dem Foto einer Münze aus der Zeit des britischen Palästina-Mandats, das in einem Mathematikbuch der 6. Klasse abgebildet ist. Die Münze zeigt das englische Wort Palestine und die arabische Entsprechung; die hebräische Schrift, die auf der Münze steht, wurde wegretuschiert.

Über Jerusalem steht in einem Gesellschaftskundebuch für die 3. Klasse, die Stadt sei »eine arabische Stadt, die von unseren arabischen Vorfahren vor Tausenden von Jahren gebaut« worden und »Muslimen und Christen heilig« sei. Im Buch »Geografie und zeitgenössische Geschichte von Palästina« für die 10. Klasse heißt es:

»Die Stadt Jerusalem war als ›Jebus‹ bekannt, nach den arabischen Jebusitern, die sie vor 5.000 Jahren errichtet hatten. Als die Römer sie besetzten, nannten sie sie ›Aelia‹. Später wurde sie als ›Al-Quds‹ oder ›Bayt al-Maqdis‹ bekannt, nachdem die Muslime unter Kalif Umar ibn al-Khattab sie im Jahr 637 erobert hatten.«

Tausend Jahre Geschichte werden übersprungen, Juden kommen in dieser Geschichtsschreibung nicht vor.

Dämonisierung

Juden, die auch als »Zionisten« bezeichnet werden – wobei die beiden Begriffe laut Bedein »nicht wirklich voneinander unterschieden werden« – werden in den Schulbüchern dämonisiert und bezichtigt, genozidale Absichten gegenüber den Palästinensern zu hegen. So heißt es in einem Arabisch-Schulbuch für die 10. Klasse:

»Die Zionisten haben ihre Entität auf Terror, Ausrottung und Kolonialismus errichtet. Wir werden das erklären.«

In einem begleitenden Buch für Lehrer zu »Geografie und zeitgenössische Geschichte von Palästina« für die 10. Klasse wird vorgeschlagen, die Schüler über Massaker schreiben zu lassen, die Juden 1948 an Arabern verübt hätten, und sie die Gründe dafür nennen zu lassen.

Die beste Bewertung, so Bedein, erhielten jene Schüler, die den Begriff Massaker mit dem »jüdischen Denken« in Verbindung brächten. Solche, die die Massaker mit »zionistischem Denken« begründeten, erhielten eine schlechtere Note. Die Note »unbefriedigend« werde denjenigen Schülern gegeben, »die Gründe für Massaker aufzählen, sie aber weder mit jüdischem noch mit zionistischem Denken in Verbindung bringen«.

Juden würden als die Helfer des Teufels bezeichnet. So stehe in einem Arabisch-Buch für die 7. Klasse das Gedicht:

»Wo sind die Reiter, die zu Al-Aqsa reiten werden, um sie aus dem Griff der Ungläubigen, von den Helfern des Teufels zu befreien?«

Ermunterung zum Mord

Der Mord an Juden werde als »integraler Bestandteil des nationalen Kampfes« dargestellt, so Bedein. In einem Arabisch-Lehrbuch für die 5. Klasse – das dem Verfasser vorliegt –, heißt es über Dalal a-Mughrabi, die Drahtzieherin des Küstenstraßenmassakers vom 11. März 1978 (bei dem 37 Zivilisten, zehn davon Kinder, getötet und weitere 76 Zivilisten verletzt wurden):

»Die Märtyrerin Dalal a-Mughrabi malte mit ihrem Kampf ein Bild der Herausforderung und der Tapferkeit, das ihr ewiges Andenken in unseren Herzen und Köpfen gibt.«

Auf die Frage, was nach der »Befreiung Palästinas« mit den Juden geschehen solle, gebe das Buch »Islamische Erziehung« für die 7. Klasse eine eindeutige Antwort, so Bedein: »Auslöschung.« In einem Lied mit dem Titel »Land der Edlen«, das die Schüler auswendig lernen sollen, heißt es:

»Ich schwöre! Ich werde mein Blut opfern,
Um das Land der Edlen zu wässern
Und den Räuber [Israel] aus dem Land zu entfernen
Und die besiegten Überreste der Fremden auszulöschen.«

David Bedein hat seine Replik auf die Äußerung von Botschafter Nides auch auf dem Blog der Times of Israel veröffentlicht. Der Text, den er an Mena-Watch geschickt hat, enthält im Unterschied zu der auf Times of Israel veröffentlichten Fassung als Beleg die Zitate auf Arabisch und zahlreiche Fotos aus den Schulbüchern.